Schloss Marienburg Marathon 2017 – Einfach mal der Begleiter sein

Eigentlich könnte ich drei Berichte zu drei Läufen verfassen. Mach ich aber in diesem Fall nicht. Lasst mich das kurz erklären. Meine Freundin Sina wagte sich langsam an die längeren Strecken. Das große Ziel sollte der Schloss Marienburg Marathon sein. Der fand am 25. November 2017 statt und wird den Hauptanteil dieses Berichtes ausmachen. Doch zuvor möchte ich die Vorgeschichte erzählen und warum es drei Laufberichte hätten sein können, aber es nicht wurden.

Die Vorgeschichte
Bevor ich meine Freundin kennenlernte, hatte ich mich im März für den Schloss Marienburg Halbmarathon angemeldet. Ich hatte schon viel gutes von diesem Lauf gelesen. Nachdem ich mich 2016 nicht mehr anmelden konnte, weil der Lauf ausverkauft war, wollte ich mich für 2017 erfolgreich anmelden. Und Sina? Sie wollte unbedingt im Herbst dieses Jahres ihren ersten Marathon laufen. Als wir uns kennenlernten, erzählte sie mir von ihren Marathonplänen. Ich empfahl ihr den Schloss Marienburg Marathon. Der sei in der Nähe, günstig und Ende November. Damit hätte sie ausreichend Zeit sich vorzubereiten. Sie melde sich nur einen Tag, nachdem ich ihr vom Lauf erzählte, an. Ich gestehe, diese Spontanität sich für einen Marathon einfach mal so anzumelden, hatte mich beeindruckt.
Als wir im Herbst dieses Jahres zusammen kamen, meldete ich mich für sie auf den gesamten Marathon um. Ich fand die Vorstellung einfach schön mit meiner Freundin gemeinsam einen Marathon zu laufen. Anfangs war der Plan, dass ich sie auf eine Sub 4 Stunden Marathonzeit pacen sollte.
Moment, was heißt Pacen? Das ist ein Begriff dafür, dass jemand eine Geschwindigkeit, bzw. ein gewisses Tempo vorgibt, um ein gewisses zeitliches Ziel zu erreichen. Sub 4 bedeutet also, dass sie sich wünschte den Marathon in weniger als 4 Stunden zu laufen.
Der Marienburg Marathon sollte der dritte Lauf einer Reihe von Wettkämpfen sein, wo ich sie pacen sollte. Deswegen hätte ich drei Laufberichte schreiben können. Sozusagen eine Trilogie eines Pacers. Als ich im Ziel des Schloss Marienburg Marathons war, wurde mir klar, dass es dafür ein Bericht mit besonderem Fokus auf diesen Marathon reichen wird.
Lasst mich kurz einen Überblick vermittelt, welche die drei erwähnten Läufen sind: Der erste Lauf war der Teutolauf, Mitte Oktober. Ich mag diesen Lauf und ich werde über diesen Lauf ganz sicher irgendwann einen Bericht verfassen. Es handelt sich um einen Trail-/Waldlauf mit 600 Höhenmeter und 28,9 km Gesamtdistanz. Sina wünschte sich eine Zielzeit um 2:45h bis 2:50h. Ich möchte hier erwähnen, dass sie noch nie zuvor eine solche Distanz lief und vor allem noch nicht mit so einem Tempo. Bis zu diesem Tag war ihre maximale Distanz 26 / 27 km. Ihre Bestzeit auf einem Halbmarathon ist bei knapp über 2 Stunden. Ich entwickelte eine Rennstrategie, also in welchen Abschnitten wir mit welcher Geschwindigkeit laufen. Natürlich läuft man bergauf langsamer als im flachen Abschnitt. Wir starteten gemeinsam ins Rennen und ich pacte sie bis ins Ziel. Sie schaffte den Lauf mit einer Zeit von 2:47h.

Anfang November war der zweite Lauf. Es war ein flacher Halbmarathon in Gütersloh. Sie sagte mir, ihre bisherige Bestzeit auf einem Halbmarathon war eine 2:01h. Sie wünsche sich aber nun eine Sub 1:50h Zeit. Wieder entwickelte ich die Rennstrategie und pacte sie auf der Strecke. Trotz einer zusätzlichen 400m Runde, die alle wegen eines Fehlers eines Streckenpostens machen mussten, schafften sie ihr Ziel und lief eine 1:46:50h auf die 21,5 km. Sie war hier über sich hinaus gewachsen, auch wenn ich fairerweise erwähnen muss, dass ich sie ziemlich gescheucht hatte und sie mich zwischenzeitlich schlagen wollte. Ich sah aber meine Aufgabe auch darin sie zu fordern und sie bis an ihre Grenzen zu treiben, damit sie sieht, was sie zu leisten fähig ist! Erst nach dem Lauf wechselte ihre Stimmung mir gegenüber und sie war dankbar dafür, dass ich sie so stark angetrieben habe. Wenn Sina oder ich von diesem Lauf berichteten, sagten einige, dass sie Sina es nach empfinden konnten, wenn sie selbst von anderen Pacern getrieben wurden. Notiz an mich: Es ist ein sehr spannendes Thema, zudem ich sicher irgendwann einmal was schreiben sollte, nur hier ist jetzt dafür kein Raum und Platz.
Der dritte und letzte geplante Lauf auf dem ich sie pacen sollte, sollte nun der Schloss Marienburg Marathon sein. Doch nach dem Ergebnis beim Teutolauf und beim Halbmarathon sagte ich ihr, dass ich es für nicht sinnvoll halte eine Sub 4 Stunden Zeit auf diesem Marathon anzupeilen. Sie hat eine sehr gute Basis und ist bei den beiden Läufen über sich hinaus gewachsen, dennoch hatte ich bedenken, dass ihre Form für dieses Ziel auf dieser Strecke nicht ausreicht. Der Marathon hat eine anspruchsvolle Streckenführung mit einigen Höhenmetern. Wir hatten nur wenige Läufe um 30 km gemacht und das Tempo bis Km 42 zu halten ist schwer, wenn man es nicht gewohnt ist. Ich empfahl ihr auf eine Zielzeit zu verzichten und den Lauf aus der Lauffreude heraus locker zu laufen. Egal welche Zeit sie laufen würde, es wäre auf jeden Fall Bestzeit. Mir war es einfach wichtiger, ihr die Freude und Spaß an einem Marathon zu zeigen, als sie zu einer potentiellen Zielzeit zu treiben. Das schlimmste für mich wäre, dass sie keine Freude mehr am Laufen empfinden würde. Das sind die Zahlen auf einem Papier mit einer Ergebnisliste nicht wert.
Ich sagte zu ihr, dass ich bei ihr bleiben werde und sie bei ihrem ersten Marathon begleiten und unterstützen möchte, falls sie dies wünscht und braucht. Sie stimmte meinen Überlegungen zu und wir gaben das Projekt Sub 4 Stunden auf den Schloss Marienburg Marathon auf.
Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass war die absolut beste Entscheidung, die wir hätten treffen können. Warum? Nun, das war so …

Prolog – Einer der wollte, viele die ablehnten
Ich muss gestehen, ich gehöre zu jenen, die oft und gerne einen Lauf empfehlen. Insbesondere dann, wenn er mir selbst Spaß gemacht hat. Der Schloss Marienburg Marathon war mir neu. Dennoch dachte ich mir schon im Frühjahr, es wäre schön, wenn andere mit kommen würden und ich nicht alleine hinfahren müsste.

Also fragte ich etliche Leute, ob sie nicht Lust hätten, sich ebenfalls anzumelden. Das Fazit: Nur eine Person meldete sich an: Sven. Sven fing erst Anfang des Jahres an zu laufen und hatte sich bis auf 10, 12 km hoch trainiert, als ich zu ihm meinte, dass ich ihm einen Halbmarathon am Ende des Jahres zutraue und ob er sich nicht anmelden wolle. Er sagte ja und meldete sich an. Für ihn war es das Projekt: Der erste Halbmarathon. Er arbeitet bei Laufsport Andreas in Minden und dort gründete er in der logischen Konsequenz eine Laufgruppe „Der Weg zum ersten Halbmarathon“.

Samstag, 25.11.2017 – Vor dem Start
Sina und ich hatten gerade unsere Startnummern abgeholt, da kam Sven zu uns und er schien auf mich recht entspannt. Wir zogen uns um, bereiteten uns auf den Start vor. Die gesamte Organisation des Laufes war top. Das abgeben der Taschen ging zügig, genau wie die Abholung der Startnummern. Beides fand in einer kleinen Sporthalle statt. Hier trennten sich unsere Wege. Sven, Sina und ich sahen uns erst beim Start wieder. Das Halbmarathon- und Marathonstarterfeld umfasste 550 Läufer_innen in der Summe. Der Lauf war zum wiederholten Male ausverkauft und voll besetzt.


Kurz vor dem Start wurde darauf hingewiesen, dass alleine 60 Helfer_innen während des Laufes tätig sind. Dazu kämen noch einige im Vorfeld. Auch werden drei Läufer_innen explizit erwähnt. Zwei würden jetzt ihren 250. Marathon absolvieren und eine Frau sogar ihren 500. Marathon. Wahnsinn! Ich fühlte mich in diesem Moment so klein, da es erst mein 19. Marathon werden sollte.

Der Start bis Km 9 – Schlammschlacht Teil 1
Der Startschuss fällt und das Feld setzt sich in Bewegung. Wir starten neben der Sporthalle in einem Siedlungsgebiet. Schon nach einem Km sind nur noch Feldern um uns herum. Den ersten Kilometer unterhalten wir uns mit Sven und trennen uns danach von ihm. Sina und ich wählen ein leicht höheres Tempo. Die Strecke führt weiter zu einem Hügel, auf dem das Schloss sein soll. Nur leider sehen wir das Schloss nicht. Es scheint, als wenn das Schloss sich auf auf der Rückseite des Hügels befinde.

Nach gut 1,8 km wird es langsam hügliger und wir rennen langsam den Hügel hoch. Nach gut 2,5 km sind wir in einem Wald angekommen und es erwartet uns ein toller Singletrail. Nur leider geht es im Schneckentempo voran, obwohl es nun bergab geht. Die Strecke ist absolut voll. Ein Überholen ist nicht möglich. Ich probiere es zwar, aber Sina kann nicht folgen, einfach weil es zu eng ist. Ein überpacen am Anfang ist so auf jeden Fall nicht möglich. Nach dem ersten Singletrail, so ab der Km 3 Marke, kommen wir an einem Auto vorbei, welches mit lauter Musik den Wald beschallt. Die Stimmung steigt bei den Läufer_innen um mich herum. Danach folgt ein sehr schlammiger Wag, der zudem sehr rutschig ist. Gut 10, 15 m vor mir stürzt eine Frau. Sofort, noch bevor ich helfen kann, helfen ihr zwei Läufer auf. Sie hat schmerzen und kann nur schwer sich hochheben lassen. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes. Sina und ich laufen weiter, eben weil ihr schon geholfen wird und wir den engen und sehr rutschiges Matschweg nicht blockieren wollen. Später erfährt Sina, dass die Frau wohl sich ihre Schulter ausgekugelt hat. Auf diesem Weg wünsche ich eine gute Besserung und hoffe, dass es der Läuferin bald wieder besser geht!

Bei Km 4 sind wir an einer Straße, die sich für ungefähr einen Km neben uns entlang windet. Mit den Worten „Achtung! Bitte passt auf. Es ist hier sehr rutschig“ von einem Streckenposten, laufen wir zurück in den Wald. In der Ferne sieht man nun das Schloss, auch wenn dieses weit entfernt scheint.
Als es zurück in den Wald geht, geht es über Singletrail Serpitinenen bergauf. Sina und ich sind fast die einzigen, die die Serpetinen hochlaufen. Ich denke mir an dieser Stelle, dass es wahrscheinlich hart in der zweiten Runde werden könnte.
Oben angekommen sind wir plötzlich direkt unter dem Schloss und ich denke mir: Wow. Einfach: Wow.



Es dauert nun nicht mehr lange bis wir beim Schloss ankommen. Einige Zuschauer feuern uns hier an. Im Schloss spielt ein Dudelsackspieler gegenüber dem Verpflegungspunkt. Wir trinken kurz etwas und laufen aus dem Schloss heraus und damit zurück in den Wald. Sofort kommt uns das Km 6 Schild entgegen.

Mit dem Gedanken, dass der schlimmste Schlammbereich hinter uns liegt, sollte ich mich irren. Bis Km 8 ist der Weg sehr aufgeweicht und entsprechend schwer ist der Abschnitt zu laufen.
Bei Km 7,5 liefen wir wieder von der anderen Seite an dem Auto mit der Musik vorbei. Dieses Mal ist das Auto ein Kontrollpunkt, wo auf meiner Nummer ein roter Strich gemalt wird. Das soll wohl heißen, ich hab nicht abgekürzt. Nach dem Kontrollpunkt folgt ein kleiner Anstieg und dann geht es lange bergab.

Km 9 bis Km 21 – Straßen und Wald
Am Ende des Downhills, ca. bei Km 9, haben wir wieder die Straße unter den Füßen und die erste halbe Runde des Halbmarathons war fast absolviert. Endlich haben Sina und ich wieder so etwas wie einen Laufrhythmus und der trägt uns flott zum Start-/Zielbereich.

Dort bleiben wir kurz stehen und trinken und essen etwas, bevor es schließlich in die zweite Schleife des Halbmarathons geht.
Allgemein lässt sich sagen, die zweite Hälfte braucht keine so detaillierte Beschreibung, wie die erste Hälfte der Halbmarathonrunde. Wir laufen durch ein Siedlungsgebiet und danach auf einer langen, geraden Straße zwischen Feldern entlang. Immer wieder türmt sich eine kleine Bodenwelle vor uns auf, die stets gut zu laufen ist. Sina und ich reden nicht viel, aber wir laufen eine gute, solide Pace, eben weil es hier wieder möglich ist mit einem Rhythmus zu laufen. Bei Km 12 fängt es an zu regnen und ich beschließe meine Jacke anzuziehen, die bis dahin in meinem Rucksack verstaut war.

Kurz vor Km 14 betreten wir einen Wald. Es geht kaum merklich einen Anstieg hoch. Hier werden wir von einer Läuferin überholt, die mit einem Dalmatiner läuft oder von diesem gezogen wird? Wir sind uns da nicht so sicher.

Ein Kilometer später sind wir wieder auf der Straße und sehen den nächsten Verpflegungspunkt. Nachdem wir uns gestärkt haben, folgt sofort die Km 16 Markierung und es geht auf einer Straße zwischen den Feldern weiter. Bei Km 17 betreten wir wieder den Wald. Für mich ist das ein guter Moment den bisherigen Lauf Review passieren zu lassen:
Es ist ein wirklich schöner Lauf, dass merke ich jetzt schon: Abwechslungsreiche Strecke, die fordert aber ebenso auch einem viel zurück gibt. Es gab bisher knackige Anstiege, ein schönes Schloss, Siedlungen, Felder, Wälder und gut zu laufende Straßenabschnitte. Ein wirklich guter Mix, der es mir nicht schwer erscheinen lässt noch eine zweite Runde dranzuhängen. Mal sehen, was die letzten vier Km anzubieten haben.
Zwischen Km 18 und 19 wird es noch einmal sehr matschig für uns. Der Boden ist sehr weich und der Schlamm ist knöcheltief. Hier denke ich schon: Ohje, wie soll das nur in der zweiten Runde werden, wenn wir hier rund um Km 40 sind?
Die letzten zwei Km der Halbmarathonrunde sind wieder auf einer Straße, die zudem komplett flach ist. Wir hier vor Kraft strotzt, kann auf jeden Fall richtig Tempo machen.
Sina und ich unterhalten uns mit einer Läuferin, die gleich den Halbmarathon für sich beendet und ins Ziel laufen darf. Sie bemerkt, dass wir noch frisch aussehen und ob wir den Marathon laufen würden? Ich antworte, dass dem so ist. Wenn wir jetzt nicht mehr frisch aussehen würden, hätten wir wohl ein großes Problem. So einfach ist der Kurs nun nicht. Sie stimmt dem zu und wünscht uns alles Gute auf der zweiten Runde.

Als wir wieder den Start-/Zielbereich erreichen, stärken wir uns erneut und laufen relativ zügig weiter. Nun kennen wir die Strecke und wissen was vor uns liegt.
Ich frage mich in diesem Moment, wie es wohl Sven geht? Wie weit er wohl ist? Wie es ihm geht? Es ist schließlich sein erster Halbmarathon. Ich werde nach dem Lauf von ihm erfahren, dass er nach 2:12h hier eintreffen wird und seinen ersten Halbmarathon-Finish feiern kann.
Ganz persönlich an dich, Sven: Nimm dir den Moment, wenn du es nicht schon getan hast, und schaue zurück zum Anfang dieses Jahres, als du begonnen hast überhaupt zu Laufen. Du kannst stolz auf deine Entwicklung und dein Erreichtes sein. Ich tippe, dass du im Februar nicht daran gedacht hast, jetzt schon einen Halbmarathon zu laufen und ebenfalls dich für einen Marathon anzumelden. Daher, nicht nur für deinen Finish, sondern grundsätzlich: Herzlichen Glückwunsch zu deiner Leistung!

Zurück zu Sinas ersten Marathon.

Km 21 bis Km 30 – Schlammschlacht Teil 2
„Auf geht es in die zweite Runde“, dachte ich mir als wir aufbrechen. Es dauert nicht einmal einen Km bis uns der erste des Gesamtfeldes entgegen kommt. Wir sind also bei Km 22 und er ist bei Km 31. Bis wir in den Wald am Hügel laufen, sind es sogar die ersten sechs oder sieben Läufer, die uns entgegen kommen. Sina und ich bemerken, dass es nun deutlich weniger Läufer_innen auf der Strecke sind. Wir haben deutlich mehr Platz zum Laufen. Wir müssen kaum bis gar nicht mehr jemanden überholen.


Der Singletrailabschnitt war in der ersten Runde zwischen Km 2 und 3 so voll, dass wir hier entlang schlichen. Nun sind wir fast komplett alleine. Dadurch macht die Runde gerade mir noch mehr Spaß. Ich muss mich an dieser Stelle zum ersten Mal immer wieder bremsen. Ich drehe mich um, und lasse Sina wieder ran kommen. Ich möchte mit ihr zusammen ins Ziel laufen, und ich bemerke, wie die Lust am Laufen immer größer wird. Ich selbst laufe im regenerativen Bereich, also weniger als 70% meines maximalen Pulses und spüre, dass ich noch jede Menge Kraft habe. Ich stelle mich jedoch direkt darauf ein, dass ich heute dies nicht ausleben werde, sondern wie versprochen bei Sina bleibe. Ganz leicht fällt mir das nicht.

Als wir das zweite Mal im Schloss ankommen, machen wir die längste Pause an einem Verpflegungspunkt während des gesamten Laufes. Ich mache Fotos, genieße das Schloss und Sina trinkt und isst. Als wir gestärkt weiterlaufen, spricht uns ein Läufer an. Kurze Unterhaltungen gehören doch irgendwie zu einem längeren Lauf, gerade auf so einem familiären Marathon, wie diesem hier.


Etwas später verlassen wir den Wald und haben fast die Straße wieder vor uns. Auf meiner Startnummer ist nun neben einem roten Strich ein blauer dazu gekommen. Sina spricht mich darauf an, dass uns Läufer_innen entgegen kommen. Ich hätte nicht erwartet, dass wir wirklich noch Leute in den Wald laufen sehen, wenn wir raus kommen. So schnell sind wir nicht unterwegs, war zumindest meine Einschätzung. Zu diesem Zeitpunkt laufen wir auf eine 4:20h hinaus und die Waldrunde mit dem Schloss sind knappe 6 Km. Es war das erste Mal, dass ich eine ernsthafte Prognose anstelle. Diese teile ich Sina nicht mit. Zeiten spielen heute keine Rolle. Doch wer weiß, wieviel wir am Ende wirklich brauchen. Es geht heute nur um sie, was sie braucht und möchte. Es ist schließlich ihr erster Marathon. Daher sage ich nichts, lächele ihr zu und verweise darauf, dass wir die 30 km passiert haben. Sie nickt und wirkt dabei etwas müde.

Km 30 bis bis Km 39 – Es wird schwerer
Als wir zum dritten Mal in den Start-/Zielbereich einlaufen und uns stärken, ist es schon wesentlich leerer geworden. Ich merke, dass die Halbmarathonläufer_innen alle im Ziel sind und es somit weniger Zuschauer_innen gibt. Die Verpflegung wird knapper und die Auswahl sinkt. Das war zumindest so, als ich wir gerade da waren. So liefen wir, ohne Essen und nur mit etwas Flüssigkeit im Bauch, weiter.

Bei Km 32 sehe ich ein Schild „Wenn du das das lesen kannst, bist du zu langsam.“ Ich muss laut lachen, schicke Sina vor und mache erst einmal ein Foto. Daraufhin holt mich ein Läufer ein und meint zu mir „Was steht da? Er könne es nicht lesen.“ Ich muss erneut lachen und antworte im Sinne meines bösen Humors: „Wer das liest, ist ‘ne coole Sau!“ Wir lachen beide. Dann laufe ich Sina hinterher, bis wir wieder zusammen laufen. Nach dem Teutolauf absolvierten wir noch Läufe mit einer Distanz bis 32 km. Nun betritt sie erneut, wie beim Teutolauf, einen Distanzbereich, denn sie zuvor nicht lief. Ich gucke regelmäßig zu Sina rüber und mustere sie. Ich möchte wissen, wie es ihr geht, wie sehr sie kämpft.

Sie lächelt, alles ist gut!

Ich sehe ihr zwar an das es ihr gut geht, aber auch, dass sie erste Schwierigkeiten bekommt. Sie wird langsamer und ihr Laufschritt sieht nicht mehr so leicht und rund aus. Es ist also für Km 34 alles normal und erwartbar, vor allem, weil sie noch nie so lange lief. Dennoch mache ich mir etwas Sorgen um sie, behalte dies aber für mich.
In dem Moment passiert etwas, womit ich nicht gerechnet habe. Sina sieht mich an und sagt: „Wenn wir jetzt nur noch gehen würden, würden wir es im Cutoff schaffen.“ Ein kurzer Hinweis: Der Cutoff, also die maximale erlaubte Dauer für den Lauf, liegt hier bei diesem Lauf um 6 Stunden. Ich halte einen kurzen Moment inne und antworte: „Das stimmt. Da jemand hat wohl zugehört, als ich Tipps gab, wie man mental mit schwierigen Momenten beim Marathon umgeht.“ Sie lächelt mich an und entgegnet: „Ja. Manchmal sagst du etwas hilfreiches.“ „HEY!“ Wir lachen uns an bis ich sage: „Im ernst. Wenn du jetzt den Rest gehen würdest. Dann würde ich mich von dir lösen und vorlaufen, denn im Ziel wäre ich sonst völlig ausgekühlt.“

Sie schaut in die nächste Linkskurve in Richtung des Waldes, welcher kurz vor Km 14 in der Halbmarathonrunde beginnt (also unser Km 35 in diesem Moment). „Nein. Ich laufe ich weiter.“ Ich nicke ihr zu: „Das machst du auch wirklich gut.“ Das meine ich völlig ernst. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es sein kann, wenn man bei Km 35 merkt, wie die Kräfte schwinden und noch 7 Km vor einem liegen. Ich halte kurz inne und schaue auf die Uhr. Ich beschließe nun gute 7 km vor dem Ziel ihr eine Prognose zu geben: „Ich schätze, wir kommen bei unserem jetzigen Tempo zwischen 4:27h und 4:32h ins Ziel. Und falls wir das Tempo nicht halten“, ich zucke mit den Schultern: „… dann ist das halt so. Es ist nur eine Schätzung.“ In der Kurve selbst sieht es von der Ferne so aus, als wäre jemand umgekippt. Mehrere Sanitäter stehen zusammen. Doch als wir näher kommen, sehen wir, dass die Reiterinnen des roten Kreuzes verpflegt werden. Puh!

Bei Km 37 erreichen wir den letzten Verpflegungspunkt vor dem Ziel. Gute 5 Km liegen noch vor uns. Wir essen und trinken. Sina hat es schwer wieder in den Tritt zu kommen, doch ich kenne das aus eigener Erfahrung. Wenn die Kraft noch ein klein wenig da ist, muss man kurz die Zähne zusammenbeißen und wieder loslaufen. Nach wenigen hundert Meter ist man wieder im Tritt und kann es laufen lassen. Naja, zumindest so sehr es noch von der Kraft her irgendwie geht. Ich rede ihr gut zu, dass sie das schafft und ich nachvollziehen kann, wie es ihr geht. Ich sehe erwartungsvoll zu Sina und sie atmet tief ein und tritt an. Ich mache ihr Mut, denn ab der nächsten Kurve haben wir wieder Rückenwind.
In der Kurve selbst kommt ein Läufer von hinten und spricht uns gut zu. Ich bedanke mich, verweise aber darauf, dass Sina eher Zuspruch braucht. Er spricht Sina etwas zu und wird dann schneller. Ich weiß nicht wie er heißt, aber diesen Läufer von Km 37 werden wir noch wiedersehen.
Ich denke an mich selbst gar nicht mehr. Mir geht es gut. Daher gilt meine ganze Aufmerksamkeit Sina. Ich versuche sie etwas zu erheitern, doch alle meine Versuche erweisen sich als kontraproduktiv. Daher höre ich damit auf und lass ihr etwas Ruhe und auch Raum. Ich laufe gute 5 Meter vor ihr, drehe mich aber immer mal wieder zu ihr um. Ich möchte für sie da sein, aber sie nicht nerven. Ich merke, dass es gerade eine schwierige Phase für sie ist.

Km 39 bis ins Ziel – Das wird noch! Oder?
Wir laufen immer weiter gegen das Ziel. Mittlerweile laufen wir wieder nebeneinander. Bei Km 39 denke ich mir, vielleicht kann ich etwas die Zeit für Sina verkürzen, wenn ich ihr eine Anekdote erzähle. Ich berichte, dass die Km 38 Marke für mich immer eine Marke sei, wo ich einen zweiten Frühling erlebe. Es seien nur noch gute 4 Km und irgendwie gefällt mir die Marke; oder anders gesagt: Es seien nur zwei Km bis zur Km 40 Marke und danach sind es zwei Km bis ins Ziel.
Ich verweise auf das Schild „Km 18“ und meine: „Siehst du. Km 39. Jetzt ist es nicht mehr weit. Nur noch 3,2 km. Das schaffst du!“

Wir kommen zur letzten matschigen Stelle. Ich hab mir in der ersten Runde schon sorgen gemacht, ob das nicht anspruchsvoll in der 2. Runde wird. Tatsächlich stürzte ein Läufer gute 25 m vor uns im Matsch. Er steht wieder auf. Ich erkundige mich, wie es ihm geht. Es sei alles in Ordnung und er läuft wieder los.
Bei Km 40 laufen Sina und ich erneut auf den Läufer von Km 37 auf. Wir unterhalten uns bis ins Ziel über verschiedenste Themen. Das lässt die letzten drei Km für mich sehr kurzweilig erscheinen. Ich denke mir, dass es für Sina und dem Läufer ebenfalls hilfreich sei, sich jetzt in einer Gruppe zu unterhalten und so die letzten Km gefühlt kürzer erscheinen zu lassen. Und so ist es. Wir werden wieder etwas schneller. Bei Km 40 bemerke ich, dass wir wohl unter 4:30h bleiben werden.
Und plötzlich sehen wir vor uns den Start-/Zielbereich und überqueren die Km 21 Marke zum zweiten Mal. Sina und ich freuen uns, laufen gemeinsam ins Ziel.
Sie hat es geschafft und ihren ersten Marathon erfolgreich und glücklich nach 4:27:52h beendet. Wir holen uns etwas zu trinken. Erst danach umarmen wir uns und ich gratuliere ihr innig und sage zu ihr „Willkommen in der Reihe der Marathonläufer“. Sie strahlt und wirkt erleichtert. Ich sehe sie an, und merke, dass ich stolz auf sie bin. Ich vermute, dass es ihr so geht, wie es vielen Marathonfinishern beim ersten Mal ergeht: Sie realisieren nicht, dass sie eben 42,195km gelaufen sind. Ich weiß aber, dass sie in wenigen Tagen mich als Marathonläufer besser und anders verstehen wird. Sie wird Tage später auch betonen, wieviel Spaß ihr der Schloss Marienburg Marathon gemacht hat und wie schön sie es fand, dass ich bei ihr war. Abschließend holen wir uns die Finisher-Medaille ab. Sina bedankt sich bei mir für die Unterstützung, freut sich und fängt, genauso wie ich, an zu frieren. Es ist plötzlich sehr kalt, so ohne Bewegung. Wir bitten eine Läuferin schnell ein Finisher Foto von uns zu machen und gehen in die Sporthalle duschen und fahren nach Hause.

Fazit
Ich verstehe wieso der Lauf ausverkauft ist und das nicht zum ersten Mal. Ich finde die Strecke toll und abwechslungsreich. Ich werde den Lauf sicher nochmal laufen. Entweder als Halbmarathon oder Marathon. In welcher Form weiß ich noch nicht. Er ist toll organisiert, die Strecke ist wirklich gut gewählt. Das Schloss ist ein echtes Highlight. Sina schien auch sehr angetan vom Lauf zu sein.
Abschließend stellt sich auch die Frage, ob es nicht nur ihr erster Marathon war, sondern auch auch ihr Letzter? Nein. Wir sind beide beim Berlin Marathon 2018 angemeldet und überlegen noch einen Marathon im Mai mitzunehmen. Den Berlin Marathon werden wir aber voraussichtlich nicht gemeinsam laufen, sondern jeder für sich.

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