Transalpine-Run 2016 – Von Garmisch-Partenkirchen (Deutschland), über Österreich nach Brixen (Italien) – Teil 2 von 3

Transalpine-Run 2016 – Von Garmisch-Partenkirchen (Deutschland), über Österreich nach Brixen (Italien) – Teil 2 von 3

Was bisher geschah?
Juliane und ich liefen recht gut die ersten beiden Etappen in insgesamt knapp 13 Stunden durch. Bisher kamen wir nicht einmal über die magische 2000 m Höhengrenze. Die Stimmung war gut und die Eindrücke der Natur waren gerade am Anfang der auf der zweiten Etappe wunderschön. Nun stand die dritte Etappe an, die gleichzeitig die Königsetappe mit ca. 50 km und 3000 Hm vor uns lag. Weiter geht es mit meinem Bericht über den Transalpine-Run 2016. Im zweiten Teil geht es um die Etappen 3, 4 und 5.

6. September 2016, Etappe 3: Imst – Mandarfen
Es war der Tag der Königsetappe. Der Start war um 7 Uhr und wir hatten bis 19 Uhr Zeit, also knapp 12 Stunden. Zum Glück gab in unserem Hotel in Imst schon am Vorabend das Frühstück: Zwei belegte Brote mit einem Apfel und einer wunderschönen weißen Plastiktüte, die würdevoll unserer der Türklinke hing. Perfekt für eine Königsetappe. Aber im Ernst, ich glaube mehr bekam ich sowieso an Essen nicht runter. Umso besser, dass wir es auf dem Weg zum Start im Shuttel essen konnten. Wir stellten uns um 5:35 an die Bushaltestelle und warteten auf das Shuttle zum Start.
Dort standen natürlich mehrere Läufer_innen. Eine unter ihnen, trug eine Art Supergirl-Kostüm, mit einem Cape und wirkte gut gelaunt. Sie berichtete, dass sie bei ihrem ersten Transalpine-Run eine andere Läuferin in einem solchem Kostüm auf der Königsetappe sah. Sie war froh über die Aufmunterung durch diese fremde Läuferin, die die bevorstehende Herausforderung mit Humor und guter Laune überdeckte. Sie beschloss es bei einer oder mehrerer Wiederholungen ihr gleich zu tun. Daher stand sie da nun, gut gelaunt in einem Superheldinnen-Kostüm, um die Königsetappe zu meistern. Es erhellte mein Gemüt und ich fühlte mich besser, entspannter und war sehr froh über ihre Anwesenheit an diesem Morgen.
Das Shuttel kam pünktlich um 5:45 Uhr. Somit waren wir gegen 6 Uhr beim Start und konnten nun noch entspannt Taschen abgeben, das Klo besuchen und mit Leuten quatschen. Heute gab es drei Blöcke, wo wir jedoch alle zusammen starteten. Wir waren im dritten Block: C. Als wir eingecheckt hatten, freuten wir uns über die Tatsache, dass wir hier stehen dürften und konnten. Ein halber Tag Spaß, das erste Mal über 2000 Hm und das Pitztal soll sehr schön sein. Ich sagte zu mir, dass alles gut gehen wird und wir sicher heile in Mandarfen nach knapp 48 Km ankommen würden, so zumindest die offizielle Angabe. Es war bewölkt, aber man sagte uns beim Briefing, dass es schnell aufklaren sollte. Ich spekulierte mit einer Laufzeit von ungefähr 10 Stunden, gemessen an dem Scott Rock The Top, wo ich ungefähr 10 Stunden brauchte mit weniger Kilometern aber mehr Höhenmetern.

Peng. Der Startschuss. Wir liefen erst einmal auf Asphalt knapp 4 km leicht bergab. Am Ende der Straße war eine Bahnschranke, welche fast alle aufhielt. Daher staute sich das Feld wieder. Beim Briefing am Vorabend sagten sie uns, dass sie uns 10 Minuten auf die Cut-Off Zeiten hinzu addieren, sofern die Bahnschranke uns aufhält. Gut, alle erhielten nun wohl die 10 Minuten. Als wir ankamen, ging die Schranke auf und wir konnten weiter. Jedoch ging es nun bergauf. Das allgemeine Laufen wurde zu einem allgemeinen Wandern. Erst ging es noch wenige hundert Meter auf einer Straße bergauf und dann ging es sofort auf einen Singletrail in den Wald. Wo es sich jedoch leider so staute, dass wir mehrmals länger stehen bleiben mussten und warten durften.
Nach dem Singletrailabschnitt, konnten wir wieder sehr gut laufen. Die ersten 20 km waren insgesamt zügig zu laufen und genau das war unsere Tagestaktik. Wir wollten direkt sehr viel Zeit gut machen, bevor wir in den harten, technisch sehr anspruchsvollen zweiten Teil der Strecke gehen durften. Doch bevor wir zum Km 20 kommen, lasst uns erst einmal zu Km 7 gehen. Wir trafen andere Läufer wieder, wie Sebastian mit denen wir uns ein wenig unterhielten. Auch fiel mir schon bei Kilometer 5 oder 6 ein junger Läufer auf, welcher immer vor sprintete und filmte. Er sah aus, wie ein kleiner Bodybuilder. Ich fragte mich, wie es dazu kam, dass ein so junger, so muskulöser Typ hier mitlief? Er sah so untypisch für einen Ultraläufer aus. Er lief scheinbar alleine, denn ich sah keinen Partner, bzw. keine Partnerin. Das musste aber nichts heißen.
Als wir an die VP 1 (Verpflegungspunkt 1) nach gut 10,1 km ankamen, musste ich erst einmal zu den Sanitätern. Ich hatte mir die inneren Oberschenkel wund gelaufen. Sie gaben mir Puder und dies sollte es richten. Der eine Sanitäter sagte mir noch, dass ich bloß keine Zinksalbe mehr nehmen dürfte. Das würde es nur schlimmer machen. Ich nahm Zinksalbe, weil ich schon an Tag 2 mir die Oberschenkel wund gelaufen hatte. Ich betete innerlich, dass es wirklich zu einer Heilung kam, denn knappe 40 km lagen noch vor mir.
Bis Km 18 wechselten Waldwege und Straße ohne nennenswerten Steigungen und Gefälle ab. Wir hatten knapp 4 Stunden für diesen Abschnitt und brauchten nur knappe 2 Stunden. Das sah alles sehr entspannt aus. Wir waren froh, dass wir gut in der Zeit lagen. Wir liefen immer wieder an dem jungen Läufer vorbei und er an uns.
Nach einem doch recht knackigen Singletrail Anstieg erreichten wir auf einem Forstweg den VP 2 bei Km 20,9. ENDLICH. Ich hatte Durst und Hunger und wir machten erst einmal entspannt Pause.
Juliane sprach währenddessen den jungen Läufer an, der so untypisch für einen Ultraläufer aussah. Er berichtete, dass sein Teampartner schon nach Tag 1 ausgeschieden war und er seit Tag 2 alleine weiter lief. Sein Name war Dominik Klöppel. Er war 19 Jahre alt, der jüngste Teilnehmer zum zweiten Mal in Folge im gesamten Teilnehmerfeld. Er beendete schon einen Transalpine-Run im Vorjahr erfolgreich. Er war einer von vier Brüdern, die allesamt dieses Jahr an den Start gingen und in unterschiedlichen Leistungsklassen liefen. Er verstand sich direkt gut mit Juliane. So liefen wir zu dritt vom VP 2 los. Auch wenn ich in diesem Bericht von Dominik schreibe, so nannten wir ihn stets nur Domm, ja mit doppel m.
Der Weg nach der VP 3 wandelte sich immer wieder in einen Singletrail, Weiden mit Kühen (zum Leidwesen von Juliane), Singletrail im Wald oder einfach ein Forstweg. Wir mussten mit Hilfe von Holztreppen auch über Zäune klettern, was wirklich dem markierten, offiziellen Weg entsprach!
Auf dem Weg zum VP 3 lernten wir wieder sehr viele Interessante Menschen kennen. So filme ich gerade zufällig als Elmar aufschloss und kurz bei uns verweilte und sich mit uns unterhielt. Elmar war ein auf seine Weise besonderer Läufer, denn er lief mit einem transplantierten Herz. Krasser Scheiß!

Die Strecke bis VP 2 war nichts Besonderes, wie sich aus der Beschreibung sicher herauslesen ließ. Ich jedoch fand, dass seit der VP 2 sich jeder Meter immer wunderschöner wurde. Die Wälder wirken alt und irgendwie mystisch. Die Singletrails waren hart, aber abenteuerlich und natürlich die Ausblicke, je höher wir liefen, desto schöner waren sie. Wir liefen an Wasserfällen vorbei, an Hütten und der Himmel war klar und der Ausblick weit. Es beflügelte mich und ich stellte mir vor, wie wohl der restliche Weg bis ins Ziel sich entwickeln würde?


Der Weg zwischen der VP 2 und 3 war gefühlt länger als gedacht. Irgendwie kamen drei Kilometer zusätzlich hinzu, laut meiner und auch der Uhr vieler anderer. Nichts destotrotz erreichten wir die VP 3 mit gut 1:30h Vorsprung vor dem Cut-Off. Nach meiner Uhr hatten wir nun 35 km hinter uns. Wir hatten mehr als eine halbe Stunde Vorsprung seit VP 2 verloren. Wir füllten, wie fast immer, unsere Getränke und Vorräte auf und zogen weiter zum VP 4, der am Ende des Abstieges im Tal liegen sollte. Wir liefen weiter, mit nun etwas mehr Aufmerksamkeit auf die Uhr, denn der wirklich technische Teil und der Downhill lagen noch vor uns. Diese waren nicht gerade unsere Stärken.


Nach VP 3 ging es hoch auf 2200m Höhe bei technisch anspruchsvollen Trails in denen wir auf jeden Fall unter den 5 hm/h liegen sollten. Dies war das Tempo, welches als Grundlage für die Cut-Offs galt. Doch dieser Abschnitt kostete wirklich Zeit, da er kaum zu laufen war. Wir kamen nur langsam voran. Wir hörten später im Ziel, dass sogar die Profiläufer eine gute Stunde länger für diese Etappe brauchten, als kalkuliert wurde.


Als wir die Höhe von 2200 m erreichten, sahen wir ins Pitztal hinunter und waren völlig überwältig. Was ein Ausblick. Wahnsinn! Das toppte definitiv Tag 1 und 2 was die Schönheit der Natur anging. Einfach fantastisch. Dennoch blieb kaum der Kopf frei, um die Aussicht zu genießen. Wir mussten über Steinfelder klettern und tasteten uns vorsichtig voran. Technisch war es anspruchsvoll und ich fühlte mich mindestens einmal überfordert. Es fehlte mir hier einfach die Übung. Viele überholten uns, was absolut nicht schlimm war. Und dann begann der Abstieg nach über 40 km auf meiner Uhr.

Der Abstieg selbst sollte das letzte freie Downhill-Laufen für mich bedeuten, denn ich knickte mehrmals um. Ich konnte mich immer wieder fangen, und der Schmerz wich schnell. Doch beim letzten Umknicken des Tages, war das Umknicken so heftig, dass ich mit dem Gesicht voran zu Boden stürzte. Ich war glücklich, dass dort ausnahmsweise keine Steine lagen, sondern nur Gras und weicher Boden. Ich schrie laut auf, denn diesmal war der Schmerz so stark, dass ich mein erster Gedanke war: Das war es. Ende an Tag 3. Ich war froh nicht alleine gewesen zu sein. Juliane und Dominik kümmerten sich sofort und sehr gut um mich. Sie halfen mir auf und trösteten mich. Etwas später holten uns Carsten (Stegner) und Karsten ein, zwei von der rosa Anfeuer-Puschelfraktion. Sie beruhigten mich und gaben mir einige Tipps und Verhaltensregeln mit an die Hand. Ich beherzigte alle. So sollte ich mich hinsetzen, durchatmen, trinken und essen und die Aussicht genießen. Mindestens 5 Minuten. Diese Hinweise sorgten dafür, dass ich mit Entspannung, langsam wieder humpelnd weiter zum Versorgungspunkt 4 absteigen konnte. Der Schmerz wich langsam, war aber immer noch da.
Wir erreichten den VP 4 mit nur noch knapp 30 Minuten vor dem Cut-Off, da der technische Abschnitt und meine Verletzung uns massiv aufgehalten hatten. Ein Sanitäter fragte sofort, wie es mir ging und ob ich es noch bis ins Ziel schaffe, oder direkt eine Behandlung benötige. Ich konnte den Grad der Verletzung nicht abschätzen und äußerte laut, dass es wahrscheinlich meine letzte Etappe sein könnte und deswegen ich auf jeden Fall bis ins Ziel gehen werde. Es wären ja nur noch fünf relative flache Kilometer. Wenn es ein Bänderriss sei, wäre es nun mal vorbei. Diese Äußerung führte dazu, dass Juliane traurig wurde, doch was sollte ich machen? Schön reden wollte ich es nicht, und durch das verbale Äußern, wurde es mir auch sehr bewusst, was es bedeuten würde. Ich war sofort traurig. Der Sanitäter fragte nochmals nach, ob es wirklich gehen würde und ich bejahte. Ich versicherte ihm auch auf Rückfrage, dass auch auf jeden Fall im Ziel einen Arzt aufsuchen würde. Das akzeptierte er und ließ mich ziehen.
An der Versorgungsstelle 4 sagten uns Helfer, dass an dieser Stelle und im Ziel die Cut-Off Zeiten aufgehoben sind, da alle Teilnehmer_innen deutlich länger benötigten, als es vermutet wurde, die Profis eingeschlossen. So sollten wir auf jeden Fall in der Wertung bleiben.
Wir aßen in Ruhe und verließen den VP4. Es war ein Mix von viel schnellem gehen und ein wenig leichtem Laufen. Es ging 5 km stetig sehr leicht Bergauf. Zwischendurch passierten wir eine riesige Rinderherde, die einfach so auf dem Weg stand. Ich muss sagen, ich fühlte mich schon etwas unwohl, was ich aber überspielte es, um Juliane Mut zu machen.

Nach gut 11:03 Stunden, und laut meiner Uhr nach 52 km, erreichten wir das Ziel und damit eine knappe Stunde vor dem offiziellen Cut-Off, den es ja so nicht mehr gab. Es war somit 18 Uhr, und die Pasta Party sollte genau jetzt anfangen. Juliane und ich lagen uns mit Tränen in den Armen im Ziel. Der Gedanke aufhören zu müssen, machte mich fertig. Dominik und Steph, die Kamerafrau, beruhigten mich. An dieser Stelle geht ein großes Danke an euch! Danach suchte ich erst einmal den Arzt auf. Der Moment der Entscheidung.
Ich setzte mich auf ein Feldbett und zog mein Schuh aus. Es gibt sicher nichts Schöneres als einen Fuß zu untersuchen, der vorher über 11 Stunden in Bewegung war. Er musterte mein Fußgelenk und drehte ihn, stellte einige Frage und versicherte mir, trotz zweifacher Nachfrage, dass ich ohne Wenn und Aber weiterlaufen kann. Ich war völlig erleichtert. Ich müsste nur mich von ihm medizinisch vor jedem Start tapern lassen. Wir vereinbarten ein Codewort, damit er am nächsten Morgen wusste, was er bei mir machen muss.
Als ich aus dem Arztzelt kam, wartete dort Dominik. Ich sagte ihm, dass ich weiterlaufen darf. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen am Start, um gemeinsam weiterlaufen zu können. Auch Juliane erfuhr es direkt und war sehr erleichtert. Wir verabschiedeten uns von Dominik und gingen zurück ins „Hotel“, da Steph uns im Auto mitnahm und wir verzichteten damit auf die Pastaparty. Es war dieses mal kein richtiges Hotel, sondern eine Ferienwohnung. Wir teilten sie uns mit Katja und Judith, zwei der Asics Frontrunnerinnen. Katja ging mit anderen zu einem Restaurant und Judith blieb. So konnte ich Judith ein wenig besser kennenlernen und fand die sympathisch. Es blieb für mich kaum Zeit die Frontrunner_innen kennenzulernen und so war ich über die Gelegenheit froh.
Bevor ich es vergesse, ich sollte keine Probleme mehr mit wundgescheuerten, inneren Oberschenkel haben. Das Zeug von der VP1 half sehr gut. Ich musste auch nach diesem Tag mich nicht mehr um dieses Problem kümmern. Glücklicherweise.
Mein Abendbrot war an diesem Abend eine Packung Trockenobst, Nüsse, Eiweißriegel. Es war nicht optimal, aber ich war satt und fühlte mich gut. Dafür hatte ich mal mehrere Stunden am Stück, in denen ich die Seele baumeln lassen konnte und früh ins Bett ging. Achja, irgendwann am Abend hörte ich, dass die letzten Läufer_innen nach knapp 14 Stunden, also gegen 21 Uhr, endlich im Ziel eintrafen. Wahnsinn!

07. September 2016, Etappe 4: Mandarfen – Sölden
Nach einer intensiven, langen Königsetappe gab es heute die Etappe mit dem anspruchsvollsten und höchsten Anstieg, denn es sollte bis auf 3000 m Höhe gehen. Meine Güte, so hoch war ich noch nie in meinem Leben auf einem Berg. Der Abstieg sollte über einen Gletscher passieren. Ich war sehr gespannt, wie das werden würde. Es war definitiv ein Highlight des Transalpine-Run 2016. Wir fuhren mit dem Bus-Shuttle zum Start / Ziel Bereich und stellten wie immer unsere Taschen vor das „Hotel“. Beim Start / Ziel angekommen, ging ich zuerst einmal zu Uli. Uli war der Arzt vom Vorabend, denn ich musste mich tapern lassen. Ich war für ihn „der Bielefelder“ und er war für mich einfach Uli. Dass er sich meinen Namen nicht merkte, war für mich nicht schlimm. Wir verstanden uns gut und sahen uns wohl nun eh vor jedem Start. Eine kurze Anekdote. Als ich an diesem Morgen ins medizinische Zelt kam, sah mich Uli fragend an. Ich äußerte den magischen Satz: „Der Bielefelder und sein Fuß“ und er lachte auf und behandelte mich umgehend. Danach ging ich in ein Café, in dem wir Läufer uns aufhalten durften, ohne etwas bestellen zu müssen. Es war sehr kalt an diesem Morgen und über die Wärme waren wir alle froh. Dort wartete Juliane und auch der Sebastian, den wir immer wieder an den Vortagen trafen.
Wir checkten rechtzeitig in den Startblog C ein und trafen dort Dominik. Da wir uns so gut am Vortag verstanden hatten, wollten wir wieder zusammen starten und loslegen. An diesem Tag gab es drei Startblöcke, die mit je 10 Minuten unterschied starteten. Mir fiel auf, dass die Cut-Off Zeit zwischen Versorgungsstelle 1 und 2 sehr kritisch und knapp bemessen war. Gerade heute fühlte ich mich unter Druck, da ich nicht wusste, wie mein Fuß das mitmacht. Daher besprachen wir, dass dies für uns kritisch werden könnte und wir daher sofort schnell rauslaufen mussten, um an der ersten 2,5 km langen Steigung mit 700 Höhenmetern ganz vorne zu sein. Wir wollten schnell Zeit bis zur Versorgungsstelle 1 gut machen und die gewonnene Zeit als Polster mitnehmen. Denn für den Weg zwischen der ersten und zweiten Stelle hatten wir nur 2:45h und ich fand dies mit dem gegeben Profil als sehr knapp. Ich vermutete, dass wir um die 3:15h benötigten würden. Der Plan ging auch anfangs komplett auf. Noch vor dem Ende des ersten Anstieges liefen wir auf das Ende des B Feld auf. Das Ende des B Feldes bremste uns nun aus, aber auch zeigte, dass wir nun gute 10 Minuten heraus gelaufen waren.
Also wir oben ankamen auf 2278 m Höhe offenbarte sich ein für mich unvorstellbarer Anblick. Es war eine sehr merkwürdige Landschaft voller Berge und einem wundersam scheinender See. Schaut euch diese Landschaft auf den Bildern an und vielleicht versteht ihr es. Es wurde zudem flach und wir begannen richtig zu laufen. Mein Fuß fühlte sich stabil und gut an.



Der Weg ab dem See bis zur ersten Versorgungsstelle konnte komplett belaufen werden. Es war ein Mix aus Singletrails und Schotterwegen. Wir erreichten die VP1 mit einem knappen Vorsprung von rund 40 Minuten vor dem Cut-Off. Wir füllten die Vorräte auf und wechselten in das schnelle Wandern über, denn es ging schon leicht bergauf. Kurz darauf offenbarte sich uns ein Singletrail auf der linken Seite, der sehr steil den Berg hoch ging. Wir sahen dort in der „Ferne“ die anderen Läufer vor uns, wie sie langsam dort hoch kletterten. Mir entglitt ein „Scheiße, dass wird ein Spaß.“ Das meinte ich zum Teil so, aber auf der anderen Seite wurde mir auch klar, dass das nun sehr anstrengend werden würde.
Der Anstieg war heftig und es ging mir nicht so gut. Ich quälte mich hoch und getrieben vom Zeitdruck biss ich die Zähne zusammen. Die Kombination aus Zeitdruck, höchst anspruchsvollem Anstieg und einem Tief setzte mir moralisch sehr zu. Ich möchte gar nicht versuchen es schön zureden. Es war für mich sehr hart und ich ging an mein Limit. Wir lagen noch halbwegs in der Zeit, die ich geschätzt hatte. Bei dem Tempo sollten wir wenige Minuten vor dem Cut-Off durch den VP 2 sein.
Irgendwann kam uns ein Streckenchef entgegen. Er stieg den Berg ab und rief uns allen immer wieder zu: „Wir haben uns entschlossen die Cut-Off Zeit anzuheben. Ihr habt 2 Stunden mehr Zeit, nur bitte seid vorsichtig beim Gletscher. Wir haben schon jetzt Stürze, weil einige ein hohes Risiko gegangen sind.“ Wir drei beschlossen in diesem Moment unser Tempo runter zufahren und langsamer zu machen.


Als wir an einer Hütte auf einer Höhe von ungefähr 2750 m Höhe vorbei kamen, machten wir erst einmal Fotos, atmeten durch, gingen entspannt auf das Klo oder genossen die Aussicht. Ich tippe, dass wir knappe zehn Minuten Pause hier einlegten und uns gönnten. Mir half es, mich aus meinem Tief zu befreien und Kräfte zu sammeln. Schließlich war ich in meinem Leben nie zuvor höher als 2650 m Höhe gewesen. Etwas fokussierter und erholter ging es an den letzten Teil des Anstieges. Hier merkte ich langsam, dass ich Probleme mit der Luft bekam. Ich bekam Kopfschmerzen und fühlte mich unwohl. Aber da musste ich nun durch.



Als wir oben auf knapp 3000 m ankamen, waren die Puschel-Anfeurer_innen wieder da. Großartig! So etwas tut einfach gut. Wir erreichten somit den höchsten Punkt des gesamten Transalpine-Runs. Was für gutes Gefühl zu wissen, dass man an keinem anderen Tag mehr so hoch klettern musste. Nun ging es auch direkt zur Rückseite und zum Abstieg über den Gletscher. Jedoch … war das alles etwas anders als ich es mir vorgestellt habe. Sie hatten weißen Fließ ausgelegt und ein Seil abgespannt. Wir sollten darüber absteigen. Ich brauchte eine halbe Ewigkeit. Am unteren Ende des Gletschers saßen Dominik und Juliane, während ich noch übervorsichtig mich abseilte. Ich wollte wegen meinem Fuß absolut nichts riskieren und wir hatten genügend Zeit. Als wir wieder zu dritt weiterliefen, sahen wir sofort die VP2 und liefen hin. Mit 12 Minuten über dem alten /offiziellen Cut-Off erreichten wir die Versorgungsstation 2 und erholten uns ausgiebig. Jetzt sollte es nur noch bergab gehen. Juliane schnackte mit den Versorgern und erhielt zudem einen Schnaps. Wo auch immer die den nun aufgetrieben hatten. Aber wenn Läufer_innen an diesem Punkt einen wollten, sollten sie ihn bekommen. Ja die VPs hatten auch Sachen im Angebot, die nicht öffentlich ersichtlich waren. Mir war es irgendwo egal. Ich war zu sehr damit beschäftigt die negativen Gefühle, die ich vom Scott Rock the Top kannte, erfolglos auszublenden. Der Zeitdruck holte einige schlimme Erinnerungen hervor. Kurz nach VP 2 musste ich stehen bleiben und einmal meine leicht aufgescheuerten Brustwarzen abkleben. Die allgegenwertigen, kleinen Probleme bei einem solchen Lauf. Zum Glück hatte ich auf Grund der Pflichtausrüstung die nötigen Pflaster dabei. Dann holte uns Joschi mit seiner Gruppe ein. Joschi war, zur Erinnerung, einer der älteren Brüder von Dominik. Wir liefen kurz mit ihnen zusammen und als es wieder steiler bergab ging, konnten Juliane und ich nicht mehr mithalten. Dominik lief mit vor und wartete bei einem tieferen gelegenen Punkt auf uns, filmte und sah sehr entspannt aus.


Es ging weiter und der Abstieg selbst war eher unspektakulär. Für die gesamte Etappe hatten wir nach offiziellem Plan 7 Stunden Zeit und mit der 2 Stunden Cut-Off Erhöhung waren es wohl nun 9 Stunden. Nur wollte dies nicht in meinen Kopf. So stresste ich rum und orientierte mich an den 7 Stunden, dass die Zeit eng werden würde, wenn wir so trödeln würden. Die Angst, dass ich mich wie beim Scott Rock the Top mit der Zeit wieder vertue war groß. Daher orientierte ich mich an den 7 Stunden Cut-Off Zeit. Juliane verzichtete deswegen sogar auf einen Klogang bei an anderen Hütte und fand das nicht lustig. Das war der Moment, wo wir das erste Mal aneinander gerieten. Sie fühlte sich gehetzt und gestresst und ich fühlte mich unter Zeitdruck. Dazu kam noch, dass Sie am Downhill ziemlich zu kämpfen hatte, da ihre Knie schwächelten. So liefen Dominik und ich immer etwas vor und warteten. Das klingt nun nicht so toll, doch Juliane bat darum etwas Zeit für sich zu haben. Auf der anderen Seite, wollten wir auch nicht soweit vorlaufen.
Am Ende ist es ein Teamlauf und das wichtigste in solchen Momenten ist es, dass man auf einander Rücksicht nimmt und Verständnis für den anderen entwickelt. Das ist jedoch in manchen Situationen leichter gesagt, als getan.


Irgendwann, nach Waldwegen, Forstwegen, einem kurzen Gespräch mit Wanderern erreichten wir endlich Sölden und liefen nach 6:42h Stunden ins Ziel. Gemessen am alten, offiziellen Cut-Off hätten wir nur 7 Stunden gehabt. Puh! Die höchste Etappe war nun ebenfalls absolviert. Im Ziel gab es die übliche Verpflegung und Milka Schokolade, was mein Highlight war. Ich aß eine kleine Tafel (60g) einfach mal so mit zwei Atemzügen weg und nahm mir eine zweite kleine Tafel für später mit.
Sölden war eine Stadt, in der ich nur Restaurants und Hotels wahrnahm. Wir waren im Hotel „Grauer Bär“ und es war ein nettes Hotel, sogar halbwegs in Gehreichweite zum Start/Ziel. Ich glaube es waren 1,5 km pro Weg.
Im Hotel konnten wir uns nur kurz ausruhen, denn die Pasta-Party war nicht fern. Im Hotel haben Juliane und ich uns ausgesprochen, was gut und was nicht gut lief. Ich habe versucht ihr zu erklären, dass ich ein Problem mit Cut-Off und Zeitdruck habe und mich damit allein gelassen fühle. Sie erklärte, dass sie das nicht so toll findet und eher die Freude und den Spaß an der Veranstaltung sucht. Wir setzten uns hin und überlegten, wie wir das ausbessern könnten. Wir fanden eine Lösung, die auch gut bis zum Ende des Transalpine-Runs funktionierte. Okay, es gibt eine Ausnahme, aber auf diese komme ich am 6. Tag zu sprechen. Wir schauten positiv nach vorne. In diesem Moment im Hotel, war ich mir sicher, dass Juliane definitiv die richtige Laufpartnerin für diese Veranstaltung in diesem Moment war und eine richtige Freundin. Rückblickend kann ich sagen, dass es wohl das beste war, dass wir direkt das Problem angegangen sind gelöst haben. Wir hatten einen Konflikt, haben sachlich und erwachsen darüber gesprochen und eine Lösung mit der wir beide Leben konnten gefunden. Meine Gedanken vom Start der 1. Etappe kamen wir zudem wieder in den Kopf. Ja, wahrscheinlich habe ich uns zu viel zugemutet, aber ich war mir nun sicher, dass wir es als Team schaffen oder nicht schaffen werden. Ganz bestimmt jedoch würde das Team nicht zerbrechen. Diese Erkenntnis beruhigte und erleichterte mich enorm. Welchen Kompromiss wir fanden, werde ich vielleicht an entsprechender Stelle teilweise erläutern. Ansonsten bleibt es eine Sache zwischen ihr und mir.
Die Pasta Party war gut und das Briefing mittlerweile eine gewisse Routine. Dennoch fand ich es wichtig hinzugehen, eben wegen der Wetterprognose, Streckenänderungen oder potentiellen, wichtigen Hinweisen. Am Ende der Pasta Party setzen Juliane, Dominik und ich uns noch einmal kurz zusammen, um die Strategie für den nächsten Tag zu besprechen. Es sollte nach Italien über das Timmelsjoch gehen. Die Taktik war einfach: Wir stellen uns vorne rein, rennen die ersten Kilometer was das Zeug hält, gehen den Berg bis zum Timmelsjoch in einem Affenzahn hoch, um dann danach mit einem Zeitpolster in den Downhill zu gehen. Denn durch mein Fuß und Julianes Knie mussten wir beim Downhill jede Menge Zeit verlieren. Ich war der Meinung, dass die fünfte Etappe von den Cut-Off Zeiten die entspannteste der letzten drei sein sollte.
Am Abend legte ich mich ins Bett mit dem Gedanken, dass ich nun schon 4 Tage und knapp 145 km absolviert hatte. Mehr als die Hälfte des Translapine-Runs lag damit hinter mir und in wenigen Stunden sollte ich dann in Italien sein.

08. September 2016, Etappe 5: Sölden – Passeiertal
Ein neuer Tag, welch fröhlicher neuer Tag! Auf geht es! Ab nach Italien und damit dem dritten und letzten Land auf der Reise des Transalpine-Runs. Ich nahm an, dass die fünfte Etappe die leichteste von den letzten dreien, die noch vor uns lagen, sein sollte. Zumindest im Hinblick, was die Cut-Off Zeiten betraf. Dieser Fakt entspannte mich und sorgte dafür, dass ich wirklich zufrieden aufstand, mit wesentlich weniger Druck. Dafür hatte ich einen Sonnenbrand auf den Armen. Oha! Da hatte wohl der Gletscher zugeschlagen. Ich hatte mich doch eingecremt mit Sonnenschutzfaktor 50. Nun gut, dann wollte ich mich nun noch kräftiger eincremen.
Ich ging extra früh zum Frühstück, damit ich rechtzeitig bei Uli sein konnte. Das Tapern war nun ein fester Bestandteil meiner morgendlichen Routine geworden.
Gesagt, getan. Als ich bei Uli im Zelt war, setzte sich plötzlich Cindy nehmen mich. Sie hatte ich seit der ersten Etappe nicht mehr gesehen. Was für eine fröhliche Überraschung an diesem Morgen! Wir unterhielten uns kurz, als wir nebeneinander auf dem Feldbett im Medi-Zelt mitten in Sölden saßen. Es ging ihr nicht so gut und ihrem Teampartner Geo ging es ebenfalls nicht so gut. Sie seien aber noch dabei, jedoch waren sie immer nur sehr wenige Minuten unter dem Cut-Off. Sie wüsste nicht, ob sie es noch bis nach Brixen schafft, oder ihr Teampartner. Sie waren zudem gesundheitlich angeschlagen und erschöpft. Ich sagte ihr, dass ich ebenfalls es noch nicht absehen könnte, ob ich es bis nach Brixen schaffe und das viel davon abhängt, wie mein Fuß mitspielt. Wir verabschiedeten uns und wünschten einander viel Erfolg. Ich hoffte innig, dass ich sie und Geo wiedersehen würde. Es war bitter immer mehr bekannte Gesichter oder neu gewonnene Kontakte endgültig zu verabschieden. Ich wusste einfach nicht, ob ich sie noch einmal sehen sollte.
Ich ging danach zum Start und traf Juliane und Dominik. Wir hatten wieder die gleiche Taktik wie am Vortag: Schnell raus, Zeit gut machen für den Abstieg nach Italien.
Erneut wurde aus drei Blöcken mit je 10 Minuten Abstand gestartet. So starteten wir in der ersten Reihe des Blocks C und sprinteten schon fast los. Nach 4 km kam schon die VP1, welche wir als zweites oder drittes Team aus dem C Block erreichten. Wir liefen erneut auf Teams aus Block B auf, was nochmal die Moral anhob. Nach dem VP 1 begann sofort der Anstieg hoch zum Timmelsjoch, welcher bei ungefähr km 12,13 liegen sollte.

Heute ging es uns allen gut und wir hatten am Anstieg ein hohes und solides Tempo. Dies bestätigte sich auch dadurch, dass Dominik ein Gel nehmen musste. Wie mir später einer seiner Brüder berichtete, ist das etwas Außergewöhnliches und wir könnten stolz sein, dass wir das geschafft haben.

So eilten wir weiter den Berg hoch, die wenige Zeit, die ich mir nahm um mir die Natur anzugucken führte immer wieder dazu, dass ich erstaunt war, wie wunderschön es war. Irgendwann bei diesem Anstieg liefen an uns zwei Kanadier vorbei und schrien zu Dominik „Turf off the fucking music“, welches er mit einem „No“ quittierte. Ihr müsst wissen, dass an fast allen Etappen Dominik eine Box in seinem Rucksack hatte und Radio oder Musik-Playlisten abspielte, was einfach eine schöne Abwechslung und Ablenkung war. Juliane und ich waren beide froh, dass Dominik eine Box an diesem Tag dabei hatte und etwas Musik zu unserer Motivation dudelte.
Als wir den ersten Teil des Anstieges absolviert hatten, mussten wir eine größere Straße kreuzen und liefen einen schmalen aber eher flachen Pfad weiter, den man auch gut laufen konnte. Dabei überholten wir vereinzelte Wanderer, die etwas giftig reagieren, als ich darum bat vorbei laufen zu dürfen. Etwas später kreuzten wir erneut die Straße und es ging wieder steiler bergauf. Wir waren nun kurz vor dem Timmelsjoch, wo uns die VP 2 und exakt die Staatsgrenze zwischen Österreich und Italien erwartete. Wir erreichten in einer hervorragenden Zeit den VP 2.

Das hohe Tempo und die dadurch entsprechende sehr gute Zwischenzeit bedeuteten auch, dass wir nun höchst wahrscheinlich ein sehr entspanntes Rennen zum Genießen haben sollten. Wir nahmen uns Zeit und quatschen mit den Helfern, machten kurz Fotos und liefen dann Downhill und waren damit in Italien, genauer Südtirol.


Der Downhill war am Anfang für mich sehr schwierig und trotz Tape knickte ich erneut mehrmals um. War mein Fuß an Tag 4, dank dem Tape, stabil. Nun hatte ich das Gefühl, dass ich trotz Tape einen wackligen Fuß habe. Eine kleine Pause war nötig, um mich zu sammeln, bevor es weiter ging. Ich hatte jedes Selbstbewusstsein für einen Downhill verloren, was dazu führte, dass ich sehr langsam war. Juliane und Dominik preschten dafür vor, was ich ihnen nicht verübeln konnte. Sie warteten auch immer wieder auf mich, so dass wir weiter laufen konnten. Mir tat es sehr leid, dass ich hier einfach eher ein Bremsklotz war. Als es später flacher wurde, konnte ich mein Tempo erhöhen und bei ihnen bleiben.

Die ersten Eindrücke von Südtirol waren toll. Schöne Aussichten, Wälder, Ausblicke, Wanderwege. Es war einfach wow! Ich hatte das Gefühl, dass jeder Tag den zuvor Tag toppte. War ich schon am ersten Tag von der Natur überwältigt und ich war es immer noch. Eine kleine Anekdote: Wir liefen sogar einmal durch einen Garten/Hof eines Bauernhauses, einfach weil das der offizielle, markierte Weg war. Dort kamen uns freilaufende Hühner entgegen, über die ich fast gestolpert wäre. In diesem Abschnitt liefen wir zeitweise Asphalt, was eine angenehme Abwechslung war. Kurz nach diesem Haus kam mir ein Medi-Trupp entgegen. Die fragte ich erst einmal nach mehr Sonnencreme. Ich merkte, dass der Sonnenbrand schlimmer geworden war und wollte nun noch eine Lage drauf klatschen lassen. So packte das Medi-Team mir gleich einen Sun-Blocker drauf.
Wir waren auf dem Fernwanderweg E5, der uns bis ins Ziel die Richtung weisen sollte. Als wir durch eine kleine Gemeinde durchgeliefen, mit einer hübschen Kapelle, näherte sich die VP3 und damit der letzte VP des Tages.

Juliane und mir ging es in dem Moment richtig gut und wir ließen Dominik für eine hundert Meter hinter uns, warteten jedoch vor der Zeitmatte auf ihn, so dass wir zu dritt drüber laufen konnten. Dort verpflegten wir uns erneut und füllten die Vorräte auf. In dem Moment als wir loslaufen wollten, meinte Dominik, dass er sich für heute von uns trennt. Eine Teamkollegin von We-Run-For-Fun, für das er ebenfalls lief, ginge es nicht so gut. Er wollte bei ihr bleiben und sie supporten, damit sie eher ins Ziel kommen könnte. So liefen Juliane und ich seit nun mehr 3 Tagen, dass erste mal wieder nur zu zweit. Wir redeten auch nicht so viel miteinander, weil ich es vorzog, auch einfach mal nur zu schweigen und in mich zu gehen. Der letzte Abschnitt nach VP3 war flach und war angenehm leicht bergab. Es war eine Kombination aus guten, breiten Forstwegen und Straßen. Wir könnten hier endlich mal eine 6 min pro km Pace laufen. Zeit spielte für heute keine Rolle mehr, sondern es war nur noch wichtig Gesund ins Ziel kommen.


Als wir dann in eine Klamm einbogen, fiel mir die Kinnlade runter. Es war einfach nur Wow! Wiederhole ich mich? Gut möglich, aber glaubt es mir einfach. Es ist einfach berechtigt immer wieder zu betonen, wie schön diese Route war. Dieser Ausblick und die vielen Brücken, die dazu führten, dass wir immer wieder die Klamm überqueren durften, waren einfach traumhaft. Der Untergrund war schwer zu laufen, da es viele spitze Steine gab, der Boden uneben war und da ich wegen meinen Fußgelenke höllisch aufpassen musste. Das nicht getaperte Fußgelenk war mittlerweile ebenfalls leicht angeschlagen.
Ungefähr 4 km vor dem Ziel liefen wir immer noch in dieser wunderschönen Klamm, als plötzlich gut einen Meter hinter mir eine Frau zu Boden fiel. Ich dachte erst, es sei Juliane gewesen, aber sie war es nicht, sondern eine andere Läuferin. Ihre Teamkollegin, Juliane und ich kümmerten uns direkt um sie. Wir halfen ihr auf, und schauten, wie wir ihr am besten helfen konnten. Sie blutete im Gesicht, am Oberschenkel und am Arm. Mein Gedanke war, dass die spitzen Steine wirklich nicht zu unterschätzen waren. Dieser Moment war ein Beispiel für den Fall, dass man eine Sekunde nicht aufpasste und plötzlich alles vorbei sein konnte. Als sie sich halbwegs gefangen hatte, meinte ihre Teamkollegin, dass es okay sei, wenn wir nun weiter liefen, denn den Rest schaffe sie auch alleine.
Kurz danach, ging es mir gar nicht gut. Ich spürte, wie sich ein Krampf in einer Wade anbahnte. Ich bat Juliane hinter mir zu laufen. Sie sei besser drauf und könnte sich an mein langsameres Tempo leichter anpassen. Sie willigte ein und hatte viel Verständnis. Da ich sie nicht mehr sah, fühlte ich mich weniger gestresst ihr folgen zu müssen und konnte einfach in mich rein hören und so laufen, dass der Krampf nicht ausbrach. Das gelang mir auch. Etwas später, mit viel beißen meinerseits, erreichten wir das Ziel. Die Familie von Dominik wartete schon sehnsüchtig und schaute irritiert und traurig, als wir ohne ihren Jüngsten einliefen. Wir erklärten die Situation und sie verstanden es direkt. Keine fünf Minuten später lief dann Dominik mit dem Team ein, welches er unterstützte.

Der Bus-Shuttle im Passiertal war hingegen sehr entspannt und pünktlich. Wir kamen fix ins Hotel und konnten etwas abspannen, und hatten dazu wirklich mal Zeit. Wir brauchten nur 5:47h Stunden für 33,3 km und da wir früh gestartet waren, hatten wir wirklich den Nachmittag frei.
Das Duschen hingegen war eine Qual. Der Sonnenbrand war so schlimm, dass meine Arme schon mit dem Kontakt von kaltem Wasser brannten. Diese Dusche im Hotel werde ich nicht vergessen und diese Erfahrung auch nicht. Damit ging es mir wohl nochmal körperlich bescheidener. Nur wie sollte ich damit umgehen? Ich sollte am Abend zu einer Lösung kommen, die ich jedoch erst im dritten Teil des Blogs verraten werde.
Später ging es zurück zur Pasta-Party und zum täglichen Streckenbriefing. Beim Streckenbriefing wurde sehr klar kommuniziert, dass es keine Abweichung von den Cut-Off Zeiten auf der sechsten Etappe geben würde. Danach besprachen wir drei die Taktik der sechsten Etappe, die ich vom Zeitfaktor her als sehr kritisch einstufte. Dass ich dies tat, nervte zwar Juliane, aber ich wollte jetzt nicht am Tag 6 scheitern und disqualifiziert werden, wenn ich so viel Energie, und so viel Einsatz schon erbracht hatte, um bis hier hin zu kommen. Ich weiß, dass ich stresste, aber ich sah meine von Tag zu Tag stärker werdende Verletzung am Fuß und hatte wirklich Angst deswegen zu scheitern. Rückblickend muss ich wirklich sagen, Tag 6 war für uns alle ein verdammt harter Tag, voller Qualen, blanker Nerven und er kostete uns viel Kraft. Doch dazu mehr im letzten Teil.

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